Die Untersuchung literarischer Figuren, die eine „jüdische“ Identität fingieren oder fälschlicherweise für „Juden“ gehalten werden, ist in der literaturwissenschaftlichen Antisemitismusforschung bislang weitgehend ausgeblieben. Der Artikel macht das Erkenntnispotential dieser Figuren deutlich, indem er aufzeigt, wodurch diese (vermeintlich) als „Juden“ erkannt werden – und was dies über die definitorischen Kategorien, die kulturellen Setzungen und den jeweiligen Diskurs der Zeit vor und nach der Shoah aussagt: Namenswechsel offenbaren die weiter wirksamen Möglichkeiten „onomastischer Denunziation“, Modifizierungen des Körpers zeigen die Verschränktheit des Motivs mit kulturellen und medizinhistorischen Konstruktionen des „jüdischen Körpers“, die auch nach 1945 virulent bleiben. Doch welchen Zwecken werden die Figuren dabei textintern dienstbar gemacht, wozu dient das Spiel mit Identitäten, Rollen und Zuschreibungen? Werden literarische antisemitische Stereotype „des Juden“ dadurch perpetuiert – oder im Gegenteil unterlaufen?
Autor(en): Nike Thurn,
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