Der berühmte Hofjude Berend Lehmann (1661-1730) hatte drei prominente Namensvettern im 19. Jahrhundert, die jeweils typisch für konträre jüdische Haltungen: Der orthodoxe Rabbiner Marcus Lehmann (1831-1890) mahnte in Artikeln seiner eigenen Zeitschrift und in Romanen über jüdische Heldenfiguren die Befolgung der halachischen Traditionen an. Der Dresdner Rechtsanwalt und Politiker Emil Lehmann (1829-1898), der sich für die rechtliche Gleichstellung der Juden mit ihren nichtjüdischen Mitbürgern einsetzte, befürwortete weitgehende Reformen des jüdischen Ritus, die bis hin zur Zusammenlegung von Sabbat und Sonntag und zur Freistellung der Beschneidung reichten. Die Zukunft sah er in einer allgemein-menschlichen Religion der Sittlichkeit. Marcus‘ Sohn Jonas Lehmann (1865-1913) unterschied sich als Autor weltanschaulicher Dramen in nichts mehr von seinen nichtjüdischen Zeitgenossen. Er vertrat die Ansicht, alle theistischen Religionen durch eine pantheistische zu ersetzen. Die trotz aller Unterschiede dominierende Hoffnung der drei Persönlichkeiten auf ihre volle Integration in die deutsche Gesellschaft stellte sich durch den Nationalsozialismus für die folgenden jüdischen Generationen als Illusion heraus.
Autor(en): Berndt Strobach,
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